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6.000km nach Hause – was wir im russischen GPS Gerät fanden

Die Geschichte am Objekt erzählen. Eine beliebte Sache in Museen. Doch was soll man zu einem kaputten GPS-Gerät erzählen? Überraschend viel, wenn man sich Zeit für eine genaue Analyse nimmt. Wir konnten den Weg über rund 6.000 km nachvollziehen. 

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Orion GPS Receiver im Berlin Story Bunker

Den GPS/Glonass Empfänger „Orion – 14C8009“ erhielten wir vom „Forschungszentrum für Trophäen- und Prospektionswaffen und militärische Ausrüstung“, also der Stelle der ukrainischen Armee, welche erbeutete Waffen erforscht. Ihre Ergebnisse sind geheim, wir müssen also selber das Gerät ansehen. Zum Glück konnte dieses Gerät wieder aktiviert und nach einigen Versuchen gestartet werden. 

Den Empfänger gibt es in zwei Versionen: TDTSK.461513.104 und TDTSK.461513.104-01. Viele Zahlen und Buchstaben wie immer bei militärischen Geräten. Der wichtige Unterschied: Letzteres kann die hochpräzisen militärischen Positionsdaten des russischen GLONASS System verarbeiten. Damit sollte es auf weniger als einen Meter genau sein. Bei Tests konnten wir diese Größenordnung bestätigen. 

5.952km bis „nach Hause“

Das Gerät hütete noch einige Daten, welche ebenfalls sehr aufschlussreich waren. Der „zu Hause“ Punkt lag 5.952 km von unserem Büro. Zieht man einen Kreis mit diesem Radius von dort aus, so kommt man direkt durch die Stadt Ulan Ute in der russischen Republik Buratjen. Diese grenzt an die Mongolei, hat nicht einmal eine Million Einwohner und das Bruttoinlandsprodukt pro Person beträgt rund 3.400 € im Jahr. Eine der armen Gegenden der Russischen Föderation, niedriger Bildungsstand, schlechte Infrastruktur. Einer der wenigen sicheren Arbeitgeber ist die Regierung, viele gehen zum Militär. Dort gibt es einige große Panzereinheiten, welche veraltetes Material verwalten. Oft stammt es noch aus der Sowjetunion. 

Was 5.952 weit weg liegt

Die weiteren Wegpunkte auf dem GPS-Gerät sammeln sich um den Ort Tscheljabinsk, knapp viertausend Kilometer westlich von Ulan Ude. Es scheint, als habe der Panzerfahrer dort sein Training absolviert. Auch die Stadt Tscheljabinsk ist für ihre Panzerschule berühmt – so sehr, dass es auf AliExpress die passenden Autoaufkleber gibt. 

Ein grobes Bild

Nun ergibt sich ein grobes Bild von dem, was vorgefallen ist und dem, was man erwarten kann. Ein modernes Militärgerät, ein Panzerfahrer, der Weg in die Ukraine. Unsere Hoffnung, auf sehr spannende Details zu stoßen, war dementsprechend hoch. Oder finden wir am Ende gar nichts von Belang? Und das nach vielen Stunden Analyse-Versuchen mit diesem kleinen Gerät?

AliExpress Aufkleber der Panzerschule

Nur siebzehn Tage nach der Aktivierung des Gerätes wurde es vorerst dauerhaft ausgeschaltet. Die letzte markierte Position im Gerät ist ein Waldstück im Nord-Osten der Ukraine, nahe dem Ort Sumy. Der Panzer schaffte es keine zehn Kilometer in die Ukraine. Was mit der Crew und dem Panzer passiert ist, können wir nicht abschließend klären. Aber in der Gegend und zu der Zeit ist von auszugehen, dass sie die ersten Tage der russischen Invasion nicht überlebt haben. 

Eine typische burjatische Panzerfahrer-Karriere. Ein ähnliches Schicksal ereilte viele burjatische Panzerbesatzungen. So auch die des Panzers, den wir am 24. Februar 2023 vor der russischen Botschaft in Berlin ausgestellt hatten.

Das GPS-Gerät wieder zu und viele Fragen offen

Doch gibt es auch ungeklärte Fragen: Auf der Speicherkarte des Orion GPS-Empfängers fanden wir Audiodateien. Jeweils vier Sekunden lang. Also ging die Suche nach einem Mikrofon los – und es gab eines auf der Platine. Man könnte also Sprachmemos zu einzelnen Positionen aufnehmen.

Die Audiodateien erweisen sich als wenig hilfreich. Fünf Stück. Inhaltlich zum Beispiel „Was ist hier also los?“ Oder „komm schon, komm schon.“ Unklar, ob diese überhaupt absichtlich aufgenommen worden sind. 

Und es gibt einen Bluetooth Low Energy Chip. Dieser könnte benutzt werden, um die Daten an andere Geräte zu schicken, oder um Firmwareupdates einzuspielen. Abschließend klären konnten wir diesen Punkt bisher jedoch nicht.

Know your Enemy

Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie „Know your Enemy“ in welcher wir kontinuierlich unsere Ergebnisse veröffentlichen. Die Geräte und Waffensysteme wurden uns vom ukrainischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellt.

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